Compass Group: Interview mit Andre Schellenberg

Andre Schellenberg ist Spitzenkoch und Culinary Director der Compass Group Deutschland. Die Compass Group ist der weltweit größte Facility- und Catering-Anbieter – in Deutschland betreibt sie rund 500 Betriebsrestaurants.

Andre, stell dich doch bitte kurz vor.

Ich bin 42 Jahre alt und von Beruf Koch. In meinen mittlerweile 26 Jahren Berufserfahrung habe ich eine Menge erlebt: Ich war in vielen Ländern, habe unterschiedliche gastronomische Konzepte gesehen und viele verschiedene Dinge gekocht. Ich habe auf Kreuzfahrtschiffen gekocht, in London in 5 Sterne Hotels gearbeitet, einen Michelin-Stern erkocht und war für einen großen Airline-Catering-Anbieter global unterwegs. Außerdem habe ich viele Sportveranstaltungen geleitet. Zum Schluss war ich bei Alfons Schuhbeck und habe dort die Kochbuchabteilung mitgestaltet. Das heißt, ich habe an Kochbüchern mitgeschrieben und mich mit Food-Fotografie beschäftigt. Außerdem habe ich auch Gewürze mit entwickelt. 2014 bin ich dann zur Compass Group gekommen.

Womit beschäftigt sich die Compass Group?

Die Compass Group ist der weltweit sechstgrößte Arbeitgeber und der größte Caterer auf dem globalen Markt. Wir beschäftigen uns mit Catering, Events und Servicedienstleistungen. Die Eurest beschäftigt sich beispielsweise primär mit Betriebsgastronomie, also Großverpflegung. Wir haben aber auch Dienstleistungsgesellschaften, die sich mit Empfangs-, Hausmeister- und Reinigungsdiensten beschäftigen. Wir geben unseren Kunden quasi ein Komplettpaket an die Hand.

Was ist deine Aufgabe als Culinary Director?

Als kulinarischer Direktor bin ich für alle sieben Food-Gesellschaften in unserer Gruppe zuständig. Ich bin für alles, was mit Essen und Trinken zu tun hat, der kulinarische Vorgesetzte.

Wie bist du zur Gastronomie gekommen? Wolltest du schon immer in dieser Branche arbeiten?

Es war eher ein spontaner Einfall, ich wollte eigentlich nie in der Gastronomie arbeiten. Mein bester Freund Thomas, hat mich damals dazu gebracht. Der wollte nämlich immer Koch werden. Ich wollte eigentlich studieren und Flugingenieur werden. Irgendwie hat sich das dann verworfen – ich konnte es mir als 16-Jähriger nicht vorstellen, erst nach 13 Jahren mein erstes richtiges Geld zu verdienen. Ich habe mich dann über den Beruf Koch informiert und einige Praktika gemacht. Was mich an diesem Beruf gereizt hat, war die Vielseitigkeit und was man damit alles machen kann. Vor über 20 Jahren hat glaube ich noch niemand groß gesehen, dass der Job global einsetzbar ist. Ich reise unheimlich gerne und habe damals schon die Möglichkeiten gesehen, die ich durch diesen Job haben kann. Und ich habe erst durch diesen Job gemerkt, welche Türen mir offenstehen, wenn ich nur will und wenn ich flexibel bin. So ist das dann entstanden, und mittlerweile liebe ich meinen Beruf und bin froh, dass ich ihn gelernt habe, weil er mir bis jetzt ein tolles Leben beschert hat.

Hast du Vorbilder, die dich inspiriert haben?

Ihr wollt jetzt bestimmt hören, dass meine Großmutter mich inspiriert hat, bei der ich immer am Herd stand (lacht). So ist es aber nicht. Ich esse sehr gerne und habe auch früher schon gerne gegessen. Als ich in London im Savoy war, hatte ich dann aber jemanden, der mich inspiriert hat. Damals war dort Anton Edelmann der Küchenchef und sowas wie mein Mentor. Von ihm habe ich mir viel abgeschaut: seinen Führungsstil, der Umgang mit Menschen und natürlich sein kulinarisches Wissen, von dem ich mir viel aneignen konnte. Das prägt mich glaube ich immer noch. In schwierigen Situationen denke ich manchmal heute noch: Wie hätte Anton Edelmann reagiert?

Was mich auch noch für diesen Beruf inspiriert hat: Nach der Lehre war ich erst in der Schweiz, dann auf der MS Arcona und auf der AIDA. Die AIDA war damals das erste Schiff ihrer Art. Was mich dort fasziniert hat, war der Kontakt mit Menschen. Dort gab es damals schon Front-Cooking, was ja heute nichts Besonderes mehr ist. Da habe ich gemerkt: Ich bin für das verantwortlich, was ich koche. Der Gast stand ja vor mit und hat sofort mein Essen bekommen. Das hat mich zum Weiterdenken gebracht und mir mehr Verantwortungsbewusstsein gelehrt. Es hat mich schon stark für meinen weiteren Lebenslauf und die weiteren Schritte, die ich gegangen bin, inspiriert.

Kreuzfahrtschiffe, London, die Schweiz: Du bist sehr viel in der Welt herumgekommen. Wo hast du noch überall gekocht?

Ich bin sehr viel rumgekommen, ich war in über 80 Ländern der Welt. Viele habe ich privat besucht, aber einige auch beruflich. Nach meiner Zeit im Savoy in London bin ich nach Belfast gegangen. Dort habe ich meinen Stern gekocht und nebenbei angefangen, zu studieren, Hotelmanagement. Um einfach zu sagen: Ich habe noch was in der Hand. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, mit 35 oder 40 noch im Schichtsystem und am Wochenende zu arbeiten. Ich wollte die Option haben, mich weiterzuentwickeln.

Dann wollte ich eigentlich in die USA gehen und hatte dort auch schon einen Job in Aussicht, allerdings hat es mit der Green Card nicht geklappt. Deswegen bin ich dann kurzfristig nach Deutschland gekommen und habe dort den Blauen Bock mit eröffnet. Das ist ein schönes Restaurant von Hans Jörg Bachmeier. Als ich sie dann schließlich die Green Card bekommen habe, hatte sich aber privat etwas verändert in meinem Leben (lacht). Wie es halt immer so ist. Ich bin dann nach Wien gegangen und habe dort für Do&Co angefangen. Das ist ein Airline-Caterer, der aber auch große VIP-Sportevents macht. Ich habe dort den Bereich Restaurant und Hotel als Küchendirektor geleitet und unter anderem die BMW Welt in München eröffnet.

Danach bin ich zum Fußballclub Southampton gekommen. Dort habe ich mit einem Kollegen von mir die Gastronomie in den Fußballstadien und die VIP Logen aufgebaut. Dann wurde ich von Alfons Schuhbeck geheadhunted. Ich habe dann einige Jahre bei Alfons gearbeitet. Nicht direkt in der Küche, sondern mehr bei der Food-Fotografie, der Rezept-Entwicklung für die Kochbücher und der Gewürz-Entwicklung. Ich stehe auch in einigen Kochbüchern mit drin. Danach hat mich die Eurest, eine Gesellschaft der Compass Group, abgeworben. Ende 2017 bin ich dann als kulinarischer Direktor in den Mutterkonzern, die Compass Group, gewechselt.

Vom Küchenchef in die Produktentwicklung/Food-Fotografie bei der Schuhbeck GmbH – was hat dich zu diesem Schritt bewegt?

Es war zum Teil ein persönlicher Schritt, ich wollte wieder zurück nach Deutschland. Warum ich in die Food-Fotografie gegangen bin: Ich wollte eine andere Sicht und eine andere Perspektive auf Lebensmittel bekommen. Es klingt etwas banal, aber wenn man durch die Kameralinse auf Lebensmittel schaut, bekommt man einen anderen Blickwinkel darauf, wie sich Lebensmittel verhalten. Wenn man ein Kochbuch schreibt, hinterfragt man Dinge auch ganz anderes. Man hat eine ganz andere Herangehensweise. Mir war schon mit 34 bewusst, dass ich mal so etwas Großes machen möchte, wie ich es jetzt in der Compass Group mache. Mir hat dieser Blickwinkel der Food-Entwicklung und Rezept-Entwicklung bisher in meiner Vita gefehlt, da war das eine einmalige Chance. Außerdem hatte ich auch viele Freiheiten, die ich gut einbringen konnte und konnte mich auch selbst sehr weiterentwickeln.

Das Thema Essen, Kochen, Kultur und Menschen sind eine große Inspiration für dich. Kannst du im Urlaub einfach so essen gehen?

Es ist nicht so, dass ich das Essen auseinandernehme, wenn ich essen gehe. Das musste ich mir schon in frühen Jahren abgewöhnen, sonst hat man keinen Spaß mehr daran. Es gibt noch mehr außer Kochen da draußen. Das muss man sich auch bewusst machen. Um gut in seinem Job zu sein, darf man nicht nur für seinen Job leben. Man muss sich auch neue Inspiration und Abwechslung holen. Ich hole mir meine Inspiration für neue Ideen oft abseits der Kulinarik. Zum Beispiel sehe ich ein Gebäude und denke mir: Mensch, das sieht cool aus, vielleicht kann ich das mit diesen und jenen Produkten nachbauen. Ich kann das nicht genau beschreiben, das ist einfach eine Erfahrungssache, die mit der Zeit kommt. Irgendwann macht es einfach im Kopf klick.

Kreativität kann man nicht in Zeit fassen, die kommt einfach. Und man darf Kreativität nicht unter Druck setzen. Sowas braucht Zeit. Natürlich nicht zu viel, aber es muss eine gewisse Freiheit da sein.

Würdest du heute etwas anders machen, wenn du auf dein Leben zurückblickst? Würdest du heute noch Koch werden?

Wenn ich heute jung wäre, würde ich nicht mehr Koch werden. Es hat sich einfach so viel geändert, gerade durch die sozialen Medien. Könnte ich in meiner Zeit nochmal jung sein, würde ich definitiv noch Koch werden. Und ich würde meinen Weg genau so gehen, wie ich ihn gegangen bin. Ich kann mich echt nicht beschweren, ich hatte bis jetzt ein tolles Leben. Natürlich gab es auch Ups und Downs und es war nicht immer alles goldig.

Als ich in London war, habe ich am Anfang auch nachts in mein Kissen geheult. Wenn man nicht gut Englisch spricht und in der Küche fast nur Englisch und Französisch gesprochen wird und noch dazu großer Druck herrscht, ist das natürlich nicht einfach. Das Savoy ist eines der besten Hotels der Welt, für einen 22-jährigen war das damals, als das Internet auch noch nicht so verbreitet war, natürlich eine große Herausforderung. Dieser Challenge wollen sich heute die wenigsten jungen Leute stellen und sich das heute noch antun. Die sagen: Ich will acht Stunden arbeiten und Freizeit haben. Das ist ja alles legitim, aber dann kann ich auch nicht mit 25 schon Küchenchef sein und Geld verdienen wollen wie jemand, der schon viele Jahre im Business ist. Die Zeit hat sich natürlich geändert. Man muss die Challenge schon annehmen. Ich kann jetzt nicht sagen, früher war alles besser. Ich muss den jungen Menschen so zuhören, wie man damals hoffentlich auch mir zugehört hat. Ich gebe jedem eine Chance. Die jungen Menschen von heute sind meine Kunden von heute und morgen. Es wäre schlimm, wenn ich mich dem verschließen würde.

Was den jungen Leuten ja auch immer sehr wichtig ist, ist das Thema Work-Life-Balance. Wie siehst du das denn?

Das ist immer so ein toller Begriff. Ich bin der Meinung, dass man nur Höchstleistung im Beruf bringen kann, wenn diese Balance da ist und das Gleichgewicht stimmt. Es nützt nichts, wenn ich 16 Stunden am Tag arbeite und mein Privatleben darunter leidet. Wenn ich in der wenigen Zeit, in der ich zuhause bin dann auch noch Probleme habe, kann ich keine Leistung bringen. Da kann ich nicht kreativ sein. Arbeit und Leben muss eine Symbiose sein. Ich lebe nicht nur für die Arbeit. Ich bekomme das ganz gut vereint, dafür muss man aber auch etwas investieren.

Gerade Neugründer müssen am Anfang vielleicht etwas mehr Schweiß und Zeit investieren, um ihre Themen an den Mann zu bringen. Am Ende des Tages wollen die jungen Leute heute aber keinen Job mehr haben, der von 7 bis 16 Uhr geht. Die wollen flexibel sein und zwischendurch auch mal was erledigen können, gerade dann, wenn sie eine Familie haben. Die Arbeit muss sich in das Privatleben einfügen und umgekehrt, ich glaube das ist die Richtung, in die sich das in den nächsten Jahren entwickeln wird. Es gibt auch schon viele Unternehmen, die so denken.

Wenn du selbst gründen würdest, wie sähe dein Konzept dann aus?

Flexibel, schnell, innovativ. Das geht mit den jungen Menschen und den neuen Generationen einher. Die wollen flexibel essen und flexibel entscheiden können. Das muss man als Gastronom natürlich clever angehen – man kann die Kunden nicht selbst alles entscheiden lassen, man muss ja auch planen und kalkulieren können. So etwas bietet zum Beispiel Dean und David schon an. Dort kann man seinen eigenen Salat zusammenstellen. Trotzdem gehen die meisten Leute aus Bequemlichkeit zu den fertigen Salaten – aber sie wissen, sie hätten die Möglichkeit.

Schnelligkeit ist wichtig. Es würde jetzt kein Fastfood Restaurant sein, aber es ist nicht mehr so wie früher, dass die Leute drei Stunden lang zum Essen gehen. Das ist schön und ich gehe wahnsinnig gerne so essen, aber im Tagesgeschäft wird das immer weniger. Deswegen muss einfach eine gewisse Schnelligkeit in den neuen Konzepten drinstecken, um mit der Zeit zu gehen. Das heißt aber nicht, dass die Qualität darunter leiden muss.

Das andere ist natürlich innovativ. Warum? Man schaut in sein Handy und kann sehen, was jemand in Papua-Neuguinea isst. Die Welt ist so zusammengewachsen durch die sozialen Medien, sodass richtige Innovationen heute nur schwer zu finden sind. Trotzdem braucht man ein Alleinstellungsmerkmal, wenn man etwas gründen möchte. Irgendwo muss man sich ja abheben. Man sollte sich aber auf ein oder zwei Kernthemen fokussieren und nicht die eierlegende Wollmilchsau erfinden wollen. Man kann es nicht jedem recht machen. Lieber konzentriere ich mich mit 110 % auf wenige Dinge als auf mehrere Sachen nur mit 80%.

Wie sieht es mit dem Thema Gesundheit aus?

Ich bin ganz ehrlich: Das Thema Gesundheit entsteht warum? Es ist durch die Industrie entstanden. Warum muss es sein, dass ich ein Lebensmittel auszeichnen muss, wenn es biologisch ist? Eigentlich sollte es doch anders rum sein: Sobald irgendwelche Inhaltsstoffe drin sind, sollte es ausgelobt sein, und nicht, wenn es Bio ist. Das ist von der Industrie etwas verdreht worden, ohne die Industrie jetzt an den Pranger zu stellen – die Industrie muss ja auch schauen, dass 8 Milliarden Menschen auf der Welt ernährt werden. Trotzdem ist Gesundheit ein großer Faktor. Wenn es andere Auflagen geben würde, die bestimmte Zusatzstoffe und Inhaltsstoffe verbieten würden, müssten wir uns mit dem Thema Gesundheit gar nicht beschäftigen.

Es sind in der letzten Zeit ja viele Konzepte entstanden, die mit dem Thema Gesundheit spielen.

Ich stehe total auf gesunde Ernährung. Für mich ist das Wichtigste bei der Ernährung aber, Abwechslung zu haben. Das klingt total einfach, es macht aber keiner. Viele Menschen essen ja immer nur das Gleiche. Wann habt ihr zum Beispiel das letzte Mal einen Fenchel oder eine frische Birne gegessen? Diese Abwechslung muss geschaffen werden.

Wenn wir solche normal gewachsenen Produkte essen würden, also nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Fleisch oder Fisch, Hülsenfrüchte, bräuchten wir uns um das Thema Gesundheit gar nicht unterhalten. Das ist dann allgegenwärtig. Wenn wir aber Dinge essen, an denen nichts mehr natürlich ist, die aber in der Werbung toll vermarktet werden, müssen wir uns schon über das Thema unterhalten. Das ist für mich letztendlich ein Industriethema: Natürlich müssen die uns alle satt bekommen, aber die Industrie dreht das Gesundheitsthema jetzt so hin, dass Profit daraus geschlagen werden kann. Das ist für mich einfach kontrovers. Das ist meine Ansicht darüber, die ich auch gerne so vertrete. Trotzdem muss man natürlich wirtschaftlich kalkulieren können.

Welche Eigenschaften sollte ein Gründer heute mitbringen?

Ich glaube, es ist wichtig, dass man Erfahrung mit verschiedenen Kulturen hat und diese auch erlebt und gelebt hat. Das ist heutzutage sehr wichtig, die Kulturen vermischen sich immer mehr. Man kann heute viel machen und für fast alles ist auch ein Markt da. Ich glaube, das ist eine Erfahrung, die sehr wichtig ist, um etwas Neues und Trendiges auf den Markt zu bringen. Es gibt mittlerweile viele Konzepte, die authentisch kochen. Das gab es früher gar nicht. Das liegt daran, dass die Leute viel mehr reisen und sich viel mehr für andere Kulturen interessieren, als früher. Im Kopf bringen die sich dann Geschmäcker und Aromen mit. Am besten ist es, wenn man eine Weile in diesen Ländern lebt, damit es wirklich authentisch wird.

Was sind die Schlüsselfaktoren zum Erfolg bei einer Gründung?

Der richtige Zeitpunkt ist verdammt wichtig. Nicht jedes Konzept greift zum selben Zeitpunkt. Das sehe ich auch selbst bei uns in der Compass Group. Wir wollten vor einigen Jahren richtig trendige Hot Dogs implementieren, wie in den USA. Aber da waren wir einfach zu früh dran, das wird in Deutschland wohl erst in einigen Jahren kommen. Es ist auch wichtig, wie Ernährung und Konzepte in den Medien und vor allem den sozialen Medien dastehen, denn dadurch wird das gepusht. Coa ist zum Beispiel ein Konzept von uns mit authentisch asiatischer Küche. Das hat am Anfang nicht so gut funktioniert. Jetzt ist die asiatische Küche viel bekannter geworden, weil die Leute mehr gereist sind. Mittlerweile hat Coa fast 40 Restaurants und sie expandieren weiter. Oder Dean&David: Als die eröffnet haben, ging es gerade mit der gesunden, schnellen Ernährung los – da hat der Zeitpunkt gepasst. Für mich ist der richtige Zeitpunkt einer der wichtigsten Faktoren überhaupt, wenn man sich mit einem trendigen Konzept selbstständig machen will.

Auf den Punkt gebracht: Was ist das Wichtigste bei einer Gastro Neugründung?

Die Bedürfnisse des Kunden erfüllen. Und nicht das, was man selbst unbedingt will. Natürlich muss man sich am Ende wohl fühlen, aber der Kunde ist der, der am Ende zahlt. Ich kann das beste und tollste Essen kochen – wenn das niemand mag, kann ich damit kein Geld verdienen. Der Kunde muss immer im Mittelpunkt stehen.

Und was sind die größten Hürden?

Das richtige Team finden. Einfach die richtigen Menschen, die mit einem zusammen das Konzept umsetzen wollen und es genauso mit ihrem Herzen leben, wie man selbst. Nur dann kann man erfolgreich sein.

Personalmangel ist ein immer größeres Problem in der Gastronomie. Merkst du das in der Compass Group auch? Wie kann man da entgegenwirken?

Natürlich merken wir das auch bei uns. Ich gehe da gerne einige Schritte zurück: Ich versuche nicht, das Problem zu lösen. Ich kann jetzt nicht rausgehen und die Leute dazu motivieren, Koch zu werden. Damit das wieder ein angesehener Beruf wird, bei dem man auch Geld verdienen kann, muss viel mehr passieren und es muss viel tiefer in der Gesellschaft verankert werden.

Ich gehe das Thema so an, dass ich sage: Okay, ich habe in fünf Jahren weniger geschultes Personal, also muss ich mein Konzept anpassen und vielleicht mit standardisierten Vorgängen arbeiten. Das können auch Produkte sein. Hier kommt jetzt wieder der große Aufschrei: Das ist ja Convenience! Aber das muss ja nicht heißen, dass es nicht frisch ist. Ob ich mich jetzt hinstelle und mit einem Equipment, das ich viel zu selten nutze, eine Erdbeertorte mache, oder jemanden habe, der die Torte frisch nach meinem Rezept backt, macht meiner Meinung nach keinen Unterschied.

Ich glaube, es geht dahin, dass die Industrie die Fachkräfte für bestimmte Bereiche bei sich bündelt, um dann die Produkte nach gleichen Rezepturen in größeren Mengen herzustellen, um sie dann weiter zu verkaufen. Das ist dann einfach wirtschaftlicher. Und man kann den Auswirkungen des Fachkräftemangels entgegenwirken.

Du bist seit 1993 in der Gastronomie tätig – was hat sich in der Branche seitdem geändert?

Der Kunde! Ganz einfach gesagt der Anspruch des Kunden. Wir haben uns immer an die Bedürfnisse des Kunden anpassen müssen und die haben sich natürlich geändert. Die heutige Generation von Kunden ist mit ganz anderen Aromen und Geschmäckern groß geworden. Die haben einen ganz anderen Bezug zu Produkten, als es früher war. Das hat sich in den letzten 20 Jahren ganz stark geändert und das wird sich auch weiterhin ändern.

Ist das dann eine der großen Herausforderungen für die Gastronomie?

Auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite nein. Wir bekommen ja auch Mitarbeiter aus der Generation, die unsere Kunden sind. Diese Menschen bringen den Wandel ja automatisch mit. Deswegen ist es nicht allzu schwer, mit dem Kunden mitzugehen.

Gibt es noch weitere Herausforderungen?

Die größte Herausforderung ist wirklich der Fachkräftemangel. Das ist im gesamten Handwerk so. Hier muss die Branche auf jeden Fall mit der Industrie und auch mit dem Gesetzgeber zusammenarbeiten, damit es hier einfach faire Gesetze gibt. Damit die Gastronomie in der Vielfalt, in der sie momentan besteht, weiterexistieren kann.

Kurz und knackig zusammengefasst: Wo wird sich die Branche in den nächsten Jahren hin entwickeln?

Zu mehr Flexibilität, um auch schneller bei Dingen zu reagieren, die wir vielleicht nicht liefern können. Es wird auf jeden Fall industrieller werden. Es wird aber auch definitiv wieder mehr Wert auf Regionalität gelegt. Das wird auf jeden Fall ein großer Wandel sein. Ich kann natürlich nicht in die Zukunft schauen, aber ich glaube, das sind die Themen, die die Branche bewegen.

Denkst du, dieser Wandel wird in der Stadt und auf dem Land unterschiedlich ausfallen?

Für Deutschland gesprochen ist es wirklich so, dass die Entwicklung in der Stadt viel schneller voran geht. Hier muss man viel internationaler und flexibler arbeiten und von den Konzepten anders aufgestellt sein. Es findet aber auch eine große Landflucht statt, viele Gastro Betriebe, aber auch Krankenhäuser und Schulen auf dem Land müssen schließen. Das finde ich sehr schade, weil es auf dem Land immer wieder Gasthäuser gibt, die sehr individuell arbeiten, was natürlich einen gewissen Charme hat, der immer mehr verloren geht. Da wird es auf jeden Fall eine große Kluft geben.

Du bist Experte in dem Bereich Kalkulation. Was sind hier die wichtigsten Punkte für Gründer?


Ja, ich habe einen ganz wichtigen Punkt dafür: Man sollte auf jeden Fall eine Vorkalkulation machen. Das ist essenziell, um herauszufinden, wie viel man braucht und was man dafür verlangen kann, damit auch Personalkosten usw. gedeckt sind.

Genau so wichtig ist aber auch eine Nachkalkulation. Dass man einfach nach der ersten Woche mal schaut, wie viel man verkauft hat. Wenn man in einer super Woche 80 Portionen verkauft, aber 100 Portionen geplant hat, sollte man in der nächsten Woche weniger bestellen. Die 20 Portionen, die ich nicht verkaufe, fressen nämlich meine ganze Marge auf. Ich kann nur wirtschaftlich und kundennah arbeiten, wenn ich solche Sachen weiß.

Eine saubere Vor- und Nachkalkulation ist wirklich extrem wichtig. Am Anfang hat man noch keine Erfahrungswerte, die muss man erst sammeln. Aber auch später sollte man diese Dinge unbedingt im Auge haben. Es kann auch helfen, von Anfang an in ein gutes Warenwirtschaftssystem zu investieren, auch wenn man ein kleines Unternehmen hat. Das kann einem viel helfen. Da gibt es auch gute Programme von Start-ups, die nicht so teuer sind. Es ist sehr wichtig, da von vornherein gut aufgestellt zu sein, sonst kann man schneller bankrottgehen, als man denkt. Im laufenden Geschäft kann man sowas schwer implementieren. Das ist auch wichtig für Buchhaltung und Steuer. Diese beiden Dinge müssen am Anfang auch sehr penibel und genau umgesetzt werden.

Welchen ultimativen Tipp hast du für Neugründer und Jungunternehmer?

Jeder Gründer wird nicht alle Parameter, die gerade draußen herrschen, abdecken können. Damit meine ich nachhaltig, bio, günstig oder teuer, trendig, innovativ. Ein Gründer sollte sich lieber auf ein oder zwei Kernthemen konzentrieren, für die er stehen möchte. Dann kann man auch erfolgreich werden. Das Allgemeinkonzept, das allen in allen Belangen gerecht werden kann, gibt es nicht.

Dann haben wir jetzt noch ein paar persönlichere Fragen an dich, die uns brennend interessieren: Was war denn dein Lieblingsessen, als du ein Kind warst?

Wenn ich euch das jetzt sage, lacht ihr mich aus (lacht)! Das war von meiner Mutter ein Blumenkohleintopf mit Eierflocken. Ich glaube, sowas kocht heutzutage keiner mehr, aber der hat mir immer richtig gut geschmeckt. Also keine Suppe, sondern ein richtiger Eintopf mit Stücken drin. Und mit Petersilie. Getrunken habe ich schon immer viel Wasser, oder kalten, ungesüßten Tee. Wir haben uns immer sehr gesund und bewusst ernährt. Gerade bei den Getränken achte ich auch heute noch darauf, dass da nicht so viel Zucker drin ist.

Was ist es heute?


Mein Lieblingsessen ist wirklich schwer, ich habe mehrere. Ich würde aber eines rauskristallisieren und hoffe, dass mich dafür niemand anprangert. Kalbsbries schön angebraten und in einer schönen Kalbsjus. Also die Wachstumsdrüse des Kalbs – ja, die kann man essen! Und das schmeckt total lecker. Mir ist dabei aber wichtig, dass es wirklich von einer guten Qualität ist – lieber gebe ich da etwas mehr Geld aus. Ich esse aber auch sehr gerne flexitarisch oder vegetarisch. Und Vanille ist eines meiner Lieblingsaromen. Wenn ich mal etwas Süßes esse oder trinke, dann gerne auf Vanillebasis. Vanille macht glücklich!

Was ist das Lieblingsessen deiner Frau?

Pancakes. Glaube ich (lacht).

Und wie oft musst du Pancakes machen?

Soll ich ehrlich sein? Also schon so mindestens einmal die Woche. Ich bin aber auch viel unterwegs, deswegen bereite ich auch oft den Teig vor und sie macht sie sich selbst in der Pfanne.

Gibt es ein Gericht, dass du gar nicht magst?


Ja: lieblos zubereitete Gerichte! Das hat man ja öfter mal in Restaurants. Das merkt man nämlich schon, wenn das dann nur erhitzt und nicht abgeschmeckt ist und die Zutaten einfach nicht zusammenpassen. Ich finde das dann immer schade um die Produkte. Das waren ja mal Tiere und Pflanzen und das sollte man bei der Verarbeitung auch wertschätzen.

Was kochst du am liebsten?

Also ich koche natürlich am liebsten mit frischen Zutaten. Packung auf und rein ist nicht so mein Ding. Vom Kochstil her mag ich am liebsten so ein Crossover aus japanischer und französischer Küche. Das ist so meins. Japan hat coole Aromen, so Umami-Tasting. Und das gepaart mit der französischen Kochweise gibt eine richtig tolle Mischung. Man kann zum Beispiel statt Butter Sesamöl oder statt Salz einen fermentierten schwarzen Knoblauch nehmen. Man kann aus diesen beiden Repertoires wirklich ein schönes Crossover machen, das koche ich sehr gerne.

Welche drei Worte beschreiben dich am besten?

Loyal, neugierig, weltoffen. Ich bin wirklich ein sehr loyaler Mensch, in allen Belangen. Ich glaube, in meinem Leben wurde auch schon oft versucht, das auszunutzen. Das ist mir auch bewusst. Aber man lernt daraus und deswegen ändere ich mich nicht, sondern bleibe loyal. Und ich bin echt neugierig. Jetzt nicht so, dass ich hinter alle verschlossenen Türen schaue, aber ich gehe schon bei vielen Dingen sehr neugierig an die Sache ran. Und ich reise ja wahnsinnig gerne und will andere Menschen und Kulturen sehen. Ich will Orte sehen, an denen kein Mensch ist. Das taugt mir einfach.

Was bedeutet für Dich Erfolg?

(lacht) Hoffentlich könnt ihr mit der Antwort leben! Bei all dem beruflichen Stress ist es mir sehr wichtig, eine zufriedene Frau zu haben. Also sinnbildlich für meine Familie und mein Privatleben. Wenn ich es geschafft habe, beruflich erfolgreich zu sein und meine Familie in Einklang gebracht habe: das ist Erfolg für mich. Das klingt jetzt zwar sehr abgedroschen, ist aber einfach so für mich. Wenn ich ein tolles Konzept habe, das ausgezeichnet wird, ist das für mich nur ein Teilerfolg. Ich kann das nur genießen, wenn das private Drumherum genauso gut läuft und meine Familie die Freude mit mir teilen will.

Also nach dem Motto happy wife, happy life?


Ja, den Spruch benutze ich leider relativ oft (lacht).

Wo siehst du dich in zehn Jahren?


Jetzt muss ich ein ganzes Stück ausholen. Ich habe ein Interview gesehen von einem Hollywoodschauspieler, Matthew McConaughey. Und der hat was richtig Cooles gesagt. Der wurde gefragt, wer sein Vorbild ist und er sagte, ein Mann, der in 35 Jahren ganz erfolgreich dort und dort steht. Als er gefragt wurde, wer das denn ist, sagte er: er selbst.

Ich bekomme es nicht mehr ganz zusammen, aber das hat mit imponiert. Er weiß, dass er erfolgreich sein will und dass das ein langer Weg ist. Das fand ich toll. Ich kann euch nicht sagen, ob ich in zehn Jahren reich auf einer Südseeinsel liege. Aber ich bin der Hauptakteur in meinem Leben und ich muss wissen, was ich will und dass ich erfolgreich sein will. Ich habe noch einige Ziele, die ich erreichen möchte. Das ist mir bisher immer gut gelungen, ich stecke meine Ziele aber auch sehr realistisch. Und am Ende des Tages will ich glücklich und gesund sein. Gesundheit kann man gar nicht hoch genug wertschätzen. Und ich möchte vielleicht auch in das ein oder andere Kinderauge blicken.

Sponsoren